Bild: Wiedemann/Pfarrbriefservice
Kirche hat ihre Lehre von der gleichen Würde und Freiheit aller Menschen, berufen zur Nächstenliebe, selbstverständlich gegen menschenfeindliche Parteien zu verteidigen. Sie hat hier keinen Spielraum zum Taktieren, sondern muss den Glauben bekennen, komme es gelegen oder ungelegen. Rassismus, Antisemitismus, Überhöhung der eigenen Nation, Gleichgültigkeit gegenüber der Armut in der Welt, Verunglimpfung anderer Religionen, Verächtlichmachung des demokratischen Rechtsstaats und Hassrede zu verurteilen ist für die Kirche keine strategisch variable Option. Der Schutz des Humanums ruft nach Mt 25,40 geradezu in den Bekenntnisfall.
Tausende Bittbriefe: Vor fünf Jahren wurden Pius-XII.-Archive geöffnet
Fünf Jahre ist es her, dass der Vatikan seine Archive zu Pius XII. öffnete. Die scharfen Debatten um "Hitlers Papst" sind leiser und differenzierter geworden. Auch weil die Archive einige Überraschungen bieten.
Stuttgart im August 2024: Erstmals besucht der US-Amerikaner Peter Einstein die Heimatstadt seiner Großeltern, Elisabeth und Leo Einstein. Am Kiosk kauft er sich eine Ausgabe der "Stuttgarter Zeitung" – und fällt aus allen Wolken. Das Blatt berichtet über Forschungen zu Papst Pius XII. (1939-1958) – und erwähnt dabei Einsteins Großmutter Elisabeth.
Ein Team um den Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf war in einem Vatikan-Archiv auf ein Bittschreiben Einsteins gestoßen – und auf einen Teil der einstein'schen Familiengeschichte, von der Peter bislang nichts wusste. In dem Brief schrieb ihre Großmutter:
"Wir haben drei Kinder im Alter von 17, 16 und 12 Jahren. (...) Mein Mann und meine drei Kinder sind Juden (...) Dieses und die übrigen Umstände zwingen uns, baldmöglichst [sic!] auszuwandern, und zwar nach U.S.A. – (...) Da seit dem Krieg die Passagen in ausländischer Währung bezahlt werden müssen, sind wir gezwungen, uns diese vom Ausland zu beschaffen." Daher bitte sie um Hilfe.
Das erste Fundstück dieser Art
"Der Brief war der erste dieser Art, der mir am 5. März 2020 in die Hände fiel", berichtete Wolf kürzlich in einer Zwischenbilanz seiner Forschungen. Mehr erfahren
Der Begriff der Barmherzigkeit ist ein Begriff, der jenseits von Recht und Gerechtigkeit wirkt und dann greift, wenn gerade alles völlig schiefgelaufen ist, aus welchen Gründen auch immer. Dann steht für den Christen die Barmherzigkeit an, das heißt, über alle Hintergründe und Vorgeschichten hinwegzusehen und eine schnelle Lösung zu finden. Mit Barmherzigkeit kann man auf Dauer keine Politik machen, aber es gibt bestimmte Situationen, in der sie ansteht. Das ist wie im Gleichnis vom barmherzigen Samariter, der nicht groß darüber nachgedacht hat, ob das jetzt politisch oder religiös, gut oder schlecht ist – er hat es einfach getan.
Quelle: Thomas Eggensberger zur Migrationsdebatte und dem "Ordo amoris" Sozialethiker: Kirchen haben den Auftrag, sich politisch zu engagieren | katholische.de
Müssten die Menschen nicht aus der katastrophengesättigten Geschichte des 20. Jahrhunderts gelernt haben? Aber die Geschichte ist eine sehr schlechte Lehrerin; ihre Prügeldidaktik ist, wie stets, Lernprozessen nicht gerade förderlich.
Quelle: Katholisch.de
Wir stehen heute auf den Schultern von Riesen ... Viele Menschen haben harte Kämpfe geführt und persönliche Opfer gebracht, um die Demokratie (…) als Lebensform gegen bestehende Herrschaftsinteressen durchzusetzen. Die Menschheits-Blamage bestünde folglich darin, durch ein Übermaß an Faulheit und Feigheit dieses unverdiente Erbe aufs Spiel zu setzen."
Engel der Ostheimer-Krippe in der Bruder Klaus-Kirche, Gablenberg
Der Friede kam zur Welt.
Die Welt hat ihn nicht erkannt.
Die Welt hat ihn nicht angenommen.
So kam es, wie es kommen musste,
bis heute kreuzigt die friedlose Zeit Gottes Schöpfungswelt.
Hoffnung erwacht in mir,
es könnte auch alles anders sein.
Doch bin ich wirklich bereit dafür,
zu singen die Melodie des Friedens
hinein in Gottes wunderbare Schöpfungswelt.
Der Samen Mut wächst in mir.
Ich bekomme Kraft zur liebenden Tat.
Mein Leben als Mensch zu wagen,
als heilende Tat zum Frieden hin.
Stufe um Stufe, bis ich eins bin mit der gekreuzigten Welt.
Der Friede kam zur Welt!
Bei meiner Geburt sang ein Engel,
bei deiner Geburt jubilierte ein Engel,
bei seiner Geburt verkündeten die Chöre der Engel:
Ehre sei Gott und Friede den Menschen auf Erden!
Gottes Friede ist in der Welt! In dir und mir!
Hörst du nicht auch unter Kriegsgeschrei
der Engel leise Friedensmelodie?
Gottes Friede kam zur Welt mit dir und mir!
Ehre sei Gott und der Friede sei mit dir und mir.
Walter Humm
Weihnachten 2022
für das Pastoralteam der
Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Ost
Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe! Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.
Auschwitz-Birkenau | Bild: F. Simon
Um das völlige Verschwinden von Handlungsmöglichkeiten ... kreisen viele der Geschichten des polnischen Schriftstellers Tadeusz Borowski (1922 - 1951). ... Während seines Studiums veröffentlichte er Gedichte, bevor er 1943 zuerst nach Auschwitz-Birkenau, dann nach Dachau deportiert wurde. ... 1951 nahm er sich das Leben.
Mit beißender Ironie und Zynismus beschreibt Borowski das Leben der Internierten. ... In "Und sie gingen" , zum Beispiel, steht der Erzähler bei einem Fußballspiel im Tor, als er sich umdreht und die Ankunft eines Zugs sieht: "Von weitem sah ich nur die bunten Kleckse der Frauenkleider. Offenbar trugen die Frauen Sommerkleider, zum erstenmal in diesem Jahr. Die Männer hatten ihre Jacken ausgezogen, die weißen Ärmel leuchteten. Die Prozession schob sich langsam vorwärts." Als der Erzähler den Ball holen muss, sind die Menschen nicht mehr zu sehen. "Ich kehrte mit dem Ball zurück und warf ihn ins Spiel. Eine Ecke. Zwischen zwei Ecken hatte man hinter meinem Rücken dreitausend Menschen vergast."
Aus: Jonas Grethlein, Hoffnungen - Eine Geschichte der Zuversicht von Homer bis zum Klimawandel, C.H. Beck 2024
Altarkreuz in St. Nikolaus
Bittschreiben jüdischer Menschen an den Papst: Ein bewegender Einblick in die Zeit des Zweiten Weltkriegs
Nach der Öffnung der Archive des Pontifikats Pius XII. (1939-1958) hat der Kirchenhistoriker Hubert Wolf fast 10.000 Bittschreiben jüdischer Menschen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gefunden. Eines dieser Schreiben stammt von Elisabeth Einstein, einer Stuttgarterin, die als Erwachsene 1936 in St. Nikolaus getauft wurde.
In ihrem persönlichen Brief an den Papst schreibt sie: „Mein Mann und meine drei Kinder sind Juden, und ich, da ich niemals einer Religion angehörte, nahm 1935 kath. Religions-Unterricht, und empfing 1936 zu St. Nikolaus in Stuttgart das Sakrament der Taufe. Die hl. Firmung wurde mir 1938 von Sr. Excellenz, H. Herrn J.B. Sproll, Bischof von Rottenburg, in St. Ottilien gespendet.“
Sie bittet den Papst im Jahr 1940 um finanzielle Hilfe, da ihre Familie in die USA auswandern möchte. Für ein Schifffahrtsticket benötigen sie 209 US-Dollar. Ein vatikanischer Mitarbeiter bewilligt das Geld, doch aufgrund bürokratischer Hürden erreicht es die Schifffahrtsgesellschaft erst fast ein Jahr später – zu spät. Die nationalsozialistischen Schergen deportieren Leo, Elisabeth und Ingeborg Einstein schließlich im April 1942 nach Izbica in Polen, wo sich ihre Spur verliert.
Ein Sohn überlebt den Terror und wandert in die USA aus. Ein Stolperstein erinnert an die Familie Einstein.
Informationen zum Schicksal der Familie Einstein:
- Stuttgarter Zeitung 24./25 August 2024, Almut Siefert, Zeugnisse größter Not;
- Hubert Wolf, Die geheimen Archive des Vatikan – und was sie über die Kirche verraten, 2024
- https://www.uni-muenster.de/FB2/aph/bittschreiben/einstein.html
- Interview mit Hubert Wolf: https://www.kirche-und-leben.de/artikel/papst-vatikan-archiv-nationalsozialismus-juden-bittschreiben-kirchengeschichte-hubert-wolf-muenster
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