Am 23. Februar ist Bundestagswahl und am 30. März ist die Kirchengemeinderatswahl. Ich würde mich über eine rege aktive Wahlbeteiligung freuen und ich sage allen Kandidat:innen, die sich zur Wahl stellen, ein herzliches Vergelt´s Gott. Denn eine Wahl lebt von den Personen, die sich bereit erklärt haben, wenn sie gewählt werden, Verantwortung für das gesamte Wahlvolk zu übernehmen und nicht nur für die eigene Klientel, von der sie die Stimme bekommen haben. Deswegen ist die freie und geheime Wahl für eine Demokratie so wichtig. Bei den Kandidat:innen der Kirchengemeinderatswahl habe ich diese Vertretung für alle im gewählten Amt bisher immer klar erlebt. Bei politisch gewählten Vertreter:innen nehme ich in den vergangenen Jahren eine deutliche Verschiebung der Gemeinwohlvertretung hin zur Lobbyismusvertretung wahr. Sehr deutlich war dies für mich bei der letzten Bundesregierung zu erkennen, wie die Einzelinteressen dem Gemeinwohl geschadet haben und letztendlich zu vorzeitigen Neuwahlen geführt haben. Diese Verschiebung der politischen Mandatsträger:innen vom Gemeinwohl hin zum Eigenwohl der jeweiligen Interessensgruppe bringt mich hinsichtlich der Bundestagswahl in gewisse Nöte. Im nachfolgenden Artikel, für die Verbandszeitschrift Kolping Regional geschrieben, versuche ich diese meine Nöte ins Wort zu bringen. Ich vermute, dass viele Mitchristen und -christinnen meine Gefühlswelt nachvollziehen können.
Walter Humm
Pfarrvikar für die Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Ost
Am 23. Februar 2025 ist es unsere Bürgerpflicht, wählen zu gehen. Bald 40 Jahre darf ich nun schon wählen gehen, doch noch nie war ich so unentschlossen.
Die vergangenen Jahre war mir immer klar, ich wähle nur eine Partei, die normalerweise sicher im Bundestag vertreten ist. Doch von den aktuell zu erwartenden Parteien, die vermutlich in den Bundestag einziehen werden, möchte ich keiner Partei meine Stimme geben. Auch jene Parteien möchte ich nicht wählen, die sagen, dass sie die Werte des christlichen Abendlandes vertreten. Diese anscheinend christlichen Werte, die jene Parteien vor sich hertragen, haben wenig mit meinem persönlichen christlichen Glauben zu tun.
Zum ersten Mal in meinem Leben denke ich darüber nach, eine Kleinpartei zu wählen. Doch ist es sinnvoll, einer Partei die Stimme zu geben, die vermutlich an der 5-Prozent-Hürde scheitert? Dann wäre meine Stimme verloren und ich würde damit Parteien stärken, welche für mich eindeutig antidemokratisch sind und die nach meiner Wahrnehmung das Wahlrecht auf lange Frist abschaffen wollen. Unsere Demokratie ist ein hohes Gut, mein aktives und passives Wahlrecht zu verlieren, will ich um jeden Preis verhindern.
Vermutlich gehöre ich mit meinen Überlegungen nun auch zu der anscheinend immer größer werdenden Gruppe der unentschlossenen Wähler:innen.
Klar ist für mich als Christ nur, dass ich eine gültige Stimme abgeben und keine rechts- oder linksextremistische, demokratiefeindliche Partei wählen werde.
Welche Partei ich dann wählen werde, ist noch völlig offen. Breche ich nach 40 Jahren mit einem mir selbst auferlegten Prinzip oder ist dieses Prinzip so stark, dass ich einer der etablierten Parteien meine Stimme geben werde?
Euer Walter Humm
Als gewählter Diözesanpräses im
Geistlichen Leitungsamt des Kolpingdiözesanverbandes