Die Kaplanei

Neu in Herz Jesu – die Kaplanei

Winterfreizeit mit
Vikar Wolfgang Schmitt

Vikar Wolfgang Schmitt

„In der Zeit von Pfarrer Hofmann waren 23 Vikare in Herz Jesu“ schreiben Rosemarie und Josef Grünwald im letzten Blickpunkt. Der dreiundzwanzigste war ich – und der letzte. Auch mir war das ironische Stoßgebet der Alumnen und Vikare bekannt: „Heiligstes Herz Jesu, bewahre uns vor Herz Jesu“. Bei der Versetzungsankündigung von Friedrichshafen nach Stuttgart versprach mir der Personalreferent: „Nach einem Jahr darfst du wieder gehen“. Länger hielt man es bei Prinzipal Hofmann und im Pfarrhaushalt nicht aus. Daran orientierte sich auch die Diözesanleitung bei der Stellenbesetzung; deshalb der jährliche Wechsel meiner Vorgänger.

Über Jugendarbeit, Religionsunterricht und Hausbesuche bekam ich schnell Kontakt zu vielen Familien in Herz Jesu und bald spürte ich, dass nicht wenige es sehr bedauerten, sich jedes Jahr an einen neuen Vikar gewöhnen zu müssen. Gab es eine Alternative? Ich fühlte mich wohl in der Gemeinde und mit den pastoralen Aufgaben, nicht aber im Pfarrhaus, wo ich ein (!) Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmer zur Verfügung hatte und täglich die rigorosen Vorgaben des Pfarrers anhören durfte.

Die Wahrnehmung, dass es in jeder größeren Stuttgarter Pfarrei eine selbständige Kaplanei gab, brachte mich auf die Idee, beim Bischöflichen Ordinariat anzufragen, ob das nicht auch hier so geschehen könnte. Der Vorschlag wurde angenommen, auch von Pfarrer Hofmann begrüßt, und so wurde ich am 10. Oktober 1969 als Kaplan auf das Patrozinium „Zum heiligen Johannes Evangelist“ investiert.

Nun konnte ich bleiben, solange ich wollte, und meine Position in der Gemeinde und meine Zusammenarbeit mit Pfarrer Hofmann hatten ein anderes Fundament. Ich zog nun in eine eigene Wohnung und fand in der Nähe der Kirche im Hause Genal auch gute Betreuung.

Mein Bild von Kirche war von der Definition des Zweiten Vatikanischen Konzils geprägt (Kirche, und damit auch Ortsgemeinde als „Volk Gottes“, in dem mündige getaufte und gefirmte Christen in verschiedenen Diensten zusammenwirken), während Pfarrer Hofmann sich am Hierarchie-Prinzip orientierte (der Pfarrer hat das Sagen und die Laien sollen hören und gehorchen). Deshalb tat er sich auch mit dem neuen Gremium der Mitverantwortung der Gemeinde (damals noch „Pfarrgemeinderat“ genannt) schwer. Eine mögliche Wahl schon 1968 verhinderte er; lieber war ihm die Alternative, dass die bisherige „Ortskirchensteuervertretung“ sich als „Pfarrgemeinderat“ etablieren konnte, und so fand am 27. Mai dessen erste Sitzung statt, in der auch Sachausschüsse für die verschiedenen Bereiche des Gemeindelebens gebildet wurden.

Selbst in dem ihm eigentlich ziemlich ergebenen Gremium blieben Konflikte nicht aus: Im April 1970 legte der Zweite Vorsitzende Kurt Fichtner „wegen mangelnder und unersprießlicher Zusammenarbeit“ mit Pfarrer Hofmann seine Ämter nieder. Mein Antrag, der Pfarrgemeinderat möge das Verhalten des Pfarrers missbilligen, wurde natürlich abgelehnt. Als im Herbst 1970 Bankdirektor Alfred Gindele, einer der schärfsten Kritiker des Leitungsstils von Pfarrer Hofmann, in das Gremium nachrückte, zog dieser die Konsequenzen. Er wollte sich „diesem Behandlungs- und Verhandlungsstil“ nicht länger aussetzen; „21 Jahre sind genug“; auf 15. November ließ sich Pfarrer Hofmann pensionieren. Für die Zeit bis zur Investitur des neuen Pfarrers wurde ich zum „Pfarrverweser“ (heute der Begriff „Administrator“) ernannt.

Leider musste die Gemeinde über die „Kirchlichen Mitteilungen“ nochmal eine Auseinandersetzung ertragen. In der Sitzung des Pfarrgemeinderates (PGR) am 20. Oktober, an der Pfarrer Hofmann schon nicht mehr teilnahm, hatte ich erneut einen Antrag des Sachausschusses Jugendarbeit eingebracht, dass die Jugend einmal im Monat einen Sonntagsgottesdienst selbst gestalten dürfe. Früher auf Betreiben des Pfarrers abgelehnt, fand dieser Antrag jetzt eine überwältigende Mehrheit (12 Ja, 4 Enthaltungen). In den „Kirchlichen Mitteilungen“ (50/1970) urteilte Pfarrer Hofmann, der Pfarrgemeinderat sei „bei einem solchen Beschluss fehlgelenkt und macht sich eines Eingriffs in die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des neuen Pfarrers schuldig.“ In der pfarrerlosen Zeit gelte „die Pfarrei … gewissermaßen als ungeschützt und wehrlos“. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und so erläuterte ich in der nächsten Ausgabe (KM 52/70) die lange Geschichte des Jugendantrags und betonte: „Ich sehe in meiner Bestellung zum Pfarrverweser die Sorge des Bischofs, dass die Gemeinde gerade nicht ungeschützt und wehrlos ist ... Es ist nirgends vorgesehen, dass die Arbeit einer Pfarrei nach dem Weggang eines Pfarrers lahmgelegt ist.“
Für meine vorübergehende Leitungsaufgabe in Herz Jesu bekam ich viel Unterstützung von Gemeindemitgliedern. Die Zusammenarbeit mit St. Nikolaus und Heilig Geist wurde intensiviert, bis zur Bildung eines „Pfarrverbandes“ (lange vor der Seelsorgeeinheit). Als besonderes Projekt in Herz Jesu standen der Abschluss der Innenerneuerung der Kirche und die Vorbereitung der Pfarrgemeinderatswahl am 21. März 1971 an. Bei dieser (ersten regulären) Wahl in Herz Jesu waren 36 Frauen und Männer bereit, für das Gremium von 18 Personen zu kandidieren. Die meisten Stimmen bekam der damals 35jährige Dr. Elmar Blessing; konsequent war, dass er dann auch zum Zweiten Vorsitzenden gewählt wurde.
Die Pfarrstelle Herz Jesu wurde umgehend wiederbesetzt. Schon Ende November 1970 ernannte Bischof Carl Joseph Leiprecht dafür den bisherigen Crailsheimer Pfarrer Otto Schneider. Bei seiner Investitur am 9. Mai 1971 konnte er die Leitung einer selbstbewussten, aktiven Gemeinde übernehmen, die zu einem neuen Aufbruch bereit war und ihrer Mitverantwortung gerecht werden wollte.

Als ich 1973 mein neues Amt als Jugendpfarrer für die jungen Arbeitnehmer in unserer Diözese antrat, konnte ich meine Wohnung bei Herz Jesu behalten und habe gerne in Liturgie und Pastoral mitgeholfen. Mein Nachfolger als Kaplan wurde Rudolf Reuter. Mit seinem Wechsel in das Krankenhauspfarramt beim Bürgerhospital Stuttgart 1982 endet die Geschichte der Kaplanei „Zum heiligen Johannes Evangelist“ in Stuttgart Ost.

Pfarrer Wolfgang Schmitt

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