Stadtpfarrer Georg Ströbele

Georg Ströbele (1882 - 1951)

Bauherr und Seelsorger

Dr. Elmar Blessing

Georg Ströbele wurde am 31. Mai 1882 in Rupertshofen, Kr. Biberach, geboren und am 18. Juli 1906 in Rottenburg zum Priester geweiht. Am 25. Mai 1916 wurde er zum Kaplan an der St. Nikolauskirche bestellt. 1917 war er für kurze Zeit Stadtpfarramtsverweser und musste sich in dieser Zeit auch mit der Kirchenbaufrage der Herz-Jesu-Kirche beschäftigen. Am 6. September 1920 nahm er an der Sitzung des Kirchenstiftungsrates teil, auf der entschieden wurde, dass mit dem Bau der Kirche als `Torso´ begonnen werden soll. Er war daher schon frühzeitig mit dem Bau der Herz-Jesu-Kirche vertraut. Welchen Einfluss er auf die Planung hatte, ist unbekannt, doch fällt auf, dass bei den bisherigen Entwürfen von Professor Hummel, Kirche, Pfarrhaus und Gemeindehaus immer getrennt waren, bei dem Entwurf für den Bau 1920 war das Gemeindehaus dann zwischen Kirche und Pfarrhaus eingefügt, was die Gemeindearbeit des Pfarrers begünstigte. Bei der Einweihung der Kirche am 27. November 1921 setzte der Bischof den bisherigen Kaplan Ströbele zum Stadtpfarrer der neu errichteten Pfarrei Herz Jesu ein, und damit übernahm er die zwei Aufgaben: 1. Bauherr, die unvollendeten Bauarbeiten mussten zu Ende geführt werden und 2. Seelsorger, die neue Gemeinde musste zusammengeführt werden.

Bauherr
Zunächst musste der Neubau gesichert werden, da die Kirche nicht abgeschlossen werden konnte. Ströbele rief die jungen Männer auf, die Kirche nachts zu bewachen und in der Sakristei zu schlafen. Er selbst konnte diese Aufgabe noch nicht übernehmen, da er vorübergehend in der Schlossstraße 16, einem Nebengebäude des Schlössle, wohnte. Das Pfarrhaus musste noch fertig gebaut werden. Bald machte sich auch an der neuen Kirche Pfusch am Bau bemerkbar, das Dach war undicht, und die Kirchenbesucher mussten entweder die Regenschirme aufspannen oder fluchtartig die Kirche verlassen. Dann wollte er eine Heizung eingebaut haben, da manche Gläubige vorgaben, bei Kälte dem Gottesdienst nicht beiwohnen zu können. Die Hauptaufgabe war aber die Fertigstellung des Kirchenschiffs mit Kirchturm und der Anbau des Gemeindehauses mit Bibliothek. Dazu fehlte das nötige Geld, also musste er sich auch um die Finanzen kümmern, wobei er von der ganzen Gemeinde tatkräftig unterstützt wurde. Als dann die neue Reichsregierung einen entsprechenden Zuschuss gewährte, konnte die Kirche 1934 schließlich fertiggebaut werden. Das Geld für die Glocken hatte er inzwischen zusammenbekommen, auch durch kleinste Beiträge.

Neben der Kirche gab es aber noch andere Baumaßnahmen zu erledigen, der Bau eines Schwesternhauses und, was ihm besonders am Herzen lag, eines Kindergartens. Diese Arbeiten erledigte er so nebenbei 1926 mit dem Neubau von Schwesternhaus, Kindergarten und Agnesheim in der Schurwaldstraße.

Nur fünf Jahre nach der Fertigstellung der Kirche und des Gemeindehauses begann der Zweite Weltkrieg, in dem der Kindergarten und das `Agnesheim´ zerstört wurden, die Kirche und das Gemeindehaus nur geringe Schäden erlitten. Nach Ende des Krieges setzte Ströbele alle Hebel in Bewegung, um so schnell wie möglich mit den Reparaturarbeiten beginnen zu können. Schon im September 1945 wurde er persönlich bei der Militärregierung vorstellig, worauf dann die Arbeiten an der Kirche als dringend bezeichnet wurden; mit den Bauarbeiten konnte begonnen werden. Schwierigkeiten gab es bei der Beschaffung des Baumaterials, sowie bei der Suche nach geeigneten Handwerkern, doch schon im Juni 1946 waren die größten Schäden behoben, das Dach war wieder dicht und die neuen Fenster eingesetzt. Nun galt es nur noch den Kindergarten und das ´Agnesheim´ wiederaufzubauen. Am 3. September 1947 konnte das Richtfest gefeiert werden, das ganze erforderliche Bauholz dazu hatte Ströbele durch Beziehung größtenteils unentgeltlich erhalten. Der Kindergarten wurde dem göttlichen Herzen Jesu geweiht, ein Herz-Jesu-Haus, das Jugendheim dem unbefleckten Herzen Mariä, ein Marienheim.

Bei all diesen Baumaßnahmen stellte Pfarrer Ströbele seine persönlichen Bedürfnisse zurück, denn als der neue Pfarrer im Oktober 1949 einziehen wollte, gab es im ganzen Pfarrhaus kein Fenster und keine Türe, die nicht geflickt, überholt oder ganz ersetzt werden musste.

Seelsorger
Die Sorge für das Kind ist eine heilige Sorge, die wichtigste und ernsteste, die es geben kann, schrieb Ströbele 1924 in den `Mitteilungen der Herz-Jesu-Gemeinde´. Diese Sorge begleitete ihn all die Jahre seiner Amtszeit, und zu den wichtigsten Aufgaben zählte der Bau von Kindergärten, da das katholische Kind einen katholischen Kindergarten besuchen sollte. Wie glücklich und dankbar wären wir als Seelsorger, wenn wir sagen könnten: Alle Mütter schicken ihre Kleinkinder in den katholischen Kindergarten. Es gibt nichts Kostbareres als eine Kinderseele. Im Kleinkind grüßt uns der Morgen. In ihm begegnen wir Christus selber, denn wer ein Kind aufnimmt, nimmt Christus auf, schrieb Ströbele 1948 in den `Kirchlichen Mitteilungen´. Den Erfolg dieser Arbeit sah er aber in der weiteren katholischen Jugendarbeit gefährdet. Im gleichen Jahr meinte er in einem Beitrag, `Der Weg von der Gruppe zum Rosenkranz´: Für die Besucher des Rosenkranzes am Dienstagabend ist diese Stunde eine Stunde der Freude und Erbauung, wenn er auf die Frauenseite schaut und dann Bank um Bank gefüllt sieht mit frommen und froh betenden Kindern. Wenn er aber auf die Männerseite den Blick richtet, dann muss er fragen, wo sind denn die Buben? Auch wenn er mit einem Vergrößerungsglas schauen würde, könnte er die Zahl nicht größer sehen. Nur eine kleine Schar findet den Weg zum Rosenkranz. Woran liegt das? Wir hören, dass die Gruppenstunden der Mädchen immer wieder den Rosenkranz empfehlen und die Rosenkranzgeheimnisse erklären. Sie ziehen und führen zu Christus und das ist der eigentliche und erste Zweck der Gruppenstunden. Wenn diese nicht hinüberführen ins Gotteshaus und zu einem „Näher zu Christus“ werden, sind sie Zeitverschwendung. Gruppenarbeit darf nie Selbstzweck sein, sondern Mittel zum Zweck, ein zielbewusstes Hinführen zu Christus. 
Kein Verständnis hatte er, dass der Kirchplatz vor der Kirche der Jugend mehr und mehr als Spiel- und Sportplatz diente. In den `Kirchlichen Mitteilungen´ schrieb er: Das geht nicht an. Das verbietet die Ehrfurcht vor dem Gotteshaus. Jedes Spiel und jeder Sport ist auf dem Kirchplatz strikt verboten. Spiel und Sport passen nicht auf diesen Platz; es ist der Vorhof des Himmels auf Erden.

Ströbele war offensichtlich ein tiefer Verehrer von Maria, der Muttergottes. Dies zeigte sich durch die Schaffung von mehreren Marianischen Kongregationen in der neu errichteten Pfarrei Herz Jesu, und nicht zufällig wurde die Kapelle in dem 1934 erbauten Turm zu Ehren der `Schmerzhaften Muttergottes´ geweiht. So überrascht es auch nicht, dass das im Krieg 1944 zerstörte `Agnesheim´ nach dem Wiederaufbau 1947 den Namen `Marienheim´ erhielt.

Ströbele hatte sich 1935 gegenüber dem Bischof geäußert, er habe bei der Übernahme der Pfarrei 1922 keine Vereine mehr gegründet, sondern mache systematisch Hausbesuche und komme täglich in Familien, wo die Söhne und Töchter nicht organisiert und gleichwohl treukatholisch und anhänglich seien. Auch die eucharistische Bewegung, die Bibelbewegung, die Marianische Bewegung fallen auf fruchtbaren Boden. Rettung und Heilung komme aus dem Gedanken der Pfarrgemeinschaft nicht von den `Krücken´ der Vereine! Diese Grundeinstellung Ströbeles zeigt sich auch in den Vereinigungen und Vereinen, die nach der Gründung der Herz-Jesu-Gemeinde entstanden sind, so gab es kein Gemeindemitglied, das sich nicht einer Marianischen Kongregation hätte anschließen können.

Nach dem Krieg schrieb Ströbele 1946 in den `Kirchlichen Mitteilungen´: Warum marianische Kongregationen in allen Ständen? – Die Kongregation ist eine Schule des Bekennergeistes. An Bekennermut hat es gefehlt in der Vergangenheit. Durch Maria zu Christus! Steht auf dem Kongregationsbanner. Das Marienbanner verlangt ein entschiedenes, klares, mutiges Entweder – oder. Entweder ganz zu Christus – oder ganz zum Welt- und Zeitgeist. Die `Halben´ bedeuten und taugen nichts. Lieber nur 50 ganze, goldechte katholische Männer und Frauen, als 1000 Halbe. An das Kongregationsbanner steht es wie vom Finger Gottes geschrieben: Durch Maria zu Christus!
Willkommen sind alle Mutigen, alle Ganzen, alle Tapferen, die Tatchristen, die Apostel, mit denen man das Angesicht der Gemeinde erneuern und den Wiederaufbau im Geiste des göttlichen Herzens und in der Schule des unbefleckten Herzens Mariens pflegen und erreichen kann.

Nach diesem Aufruf taten sich zwar wieder Frauen und Männer zu Marianischen Kongregationen zusammen, auch eine Kinderkongregation sollte geschaffen werden, aber die Bedeutung wie vor dem Krieg erlangten sie nicht mehr. Die Zeit war eine andere geworden, und mit dieser Veränderung tat sich Ströbele schwer. Vor der Fastenzeit 1949 richtete er eine herzlich seelsorgerliche Bitte an seine Gemeinde: Die gottfernen und leichtfertigen Weltkinder rüsten sich die kommende Fastnacht mit Tanz und ausgelassenen Lustbarkeiten zu feiern, als ob wir in glorreichsten und sorglosesten Zeiten lebten. Was tut der echt katholische Mensch in den Fastnachtstagen? Sie sollten durch gesteigertes Beten und Büßen den Segen und die Gnade des Himmels auf diese Wochen herabrufen. Wer heute als Katholik Fastnacht im alten Stil feiert und nicht betend und büßend – der hat den Bankrott seines Tatchristentums erklärt und er ginge die traurigen Todeswege der Zeitkultur.

Sehr detailliert geht er auf die bestehenden Verhältnisse in einem Artikel in den `Kirchlichen Mitteilungen´ ein: Die Massen haben Gott verloren. Ob noch 30 bis 40 Prozent der Männer in unsren Verhältnissen das Knie vor dem ewigen Gott beugt? Auch auf das Glaubens- und Seelenleben der Frauenwelt, namentlich der jungen Frauen und Mütter ist dieser Todesreif gefallen und hat entsetzliche Schäden gebracht, - mehr als wir ahnen. Systematische Hausbesuche sagen uns das. Die Jugend nimmt schon bei der Schulentlassung, bei der Schwelle ins Leben, zu einem großen Teil, bis zu 40 und 50 Prozent, vom Gottesglauben Abschied und zieht in das große, weite Todesreich der Gottmüden und Gottleugner. Die Wunden, welche die Hitlerzeit der Jugend einmal geschlagen, bluten immer noch; sie sind noch lange nicht vernarbt und geheilt! ... Schon in der Kinderwelt ist der Geist der Gottesverneinung. Die Kinderbänke sind am Sonntag vielfach nur teilweise gefüllt. Die Flucht vor dem Religionsunterricht ist strichweise besorgniserregend.

Die Hoffnung auf eine Änderung hatte Ströbele auf die anstehende Volksmission vom 12. bis 27. März 1949 gesetzt. Leider konnte er sie nicht mehr selbst eröffnen und mitgestalten, er erkrankte wenige Tage zuvor und musste das Bett hüten. Seine körperliche Gesundheit stabilisierte sich in den folgenden Wochen, dagegen entwickelte sich bei ihm ein seelisches Leiden, das ein geregeltes Arbeiten unmöglich machte, weshalb er um seine Pensionierung bat. Am 31. Juli 1949 würdigten ihn die `Kirchlichen Mitteilungen´: Er war ein Seelsorger und war es mit jeder Faser seines Herzens; ein Priester, der in seinem Beruf ganz und gar aufging, ohne je sich selbst zu suchen. Es war nur einem kleinen Teil der Gemeinde vergönnt, sich von ihrem Seelsorger zu verabschieden. … Als ein wahrhaft guter Hirte war er auch ein Kinderfreund. Besonders werden auch die Kranken, die Hilfe- und Trostsuchenden ihn nicht leicht vergessen, seine liebe Art, wie er Menschen aufmuntern und trösten konnte. ... Das Beispiel seines Betens. Es war eine Erbauung für die Gemeinde, wie er bis in sein hohes Alter und in seine Krankheit hinein in frühen Morgenstunden in der Kirche zubrachte, betend und betrachtend; weder die Winterkälte, noch der Druck der täglichen Arbeit konnten ihn davon abhalten.

Abschiedsworte an die 
Herz-Jesu-Gemeinde

Am 11. September 1949 verabschiedete sich nach beinahe 28 Jahren Stadtpfarrer Ströbele mit einem Brief an seine Herz-Jesu-Gemeinde: Mit tiefer Sehnsucht nach Frieden habe ich in friedloser Zeit und Welt am Mittwoch, den 20. Juli, das Kloster Untermarchtal und hernach das Sanatorium Rottenmünster und das Pfarrhaus eines meiner früheren Vikare aufgesucht. In dunkler Nacht habe ich am Fuße des Kreuzes den Frieden wiedergefunden und fühle mich froh und glücklich und gesund wie in guten und besten Zeiten. Gott sei Dank dafür. … Der Priester ist ja so reich – zu geben und zu schenken. An diesen Reichtümern habt ihr alle teil bis zum Ende – die Kinder, die ich so innig geliebt, die Jugend, die Väter, die Mütter,lLebet alle, alle wohl! ... Das Herz Jesu schütze und segne Euch alle, alle. In Treue Euer bisheriger Seelsorger G. Ströbele.
Am 19. September 1951 starb Stadtpfarrer Georg Ströbele. Seine letzte Ruhe fand er in Rupertshofen in der Familiengruft seines Onkels Max Ströbele.
 

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